Ego und Eigendünkel des Kriegers 7.Einführungsabend 01.12.2022

Der lebenslange Kampf gegen den Eigendünkel ist einer der drei Säulen des Kriegerweges (die beiden anderen sind: Verantwortung übernehmen und den Tod zum Ratgeber haben).

Im Kriegertraining verwenden wir mehrere methodische Landkarten nahezu simultan:

  1. aus der transpersonalen Psychologie das Konzept von „Ego, Ich und Selbst
  2. aus dem Enneagramm die „9 Motive“ und „von der Wunde zum Schwert“, angepasst an den Kriegerweg
  3. das Verständnis des Eigendünkels aus den Werken und Arbeiten von Don Juan und Carlos Castaneda
  4. das Konzept des „Aufrechten Menschen“ von Rudolf Kapellner und Brigitte Sumetsberger (1965 – 2013)

Ego, Ich und Selbst

Zum Einstieg ins Kriegerjahr vermitteln wir diese erste Unterscheidung zwischen einem kraftvollen, autonomen Ich und einem verletzten Ego.

Ein starkes Ich versteht sein Leben als selbstgestalteten Entwicklungsprozess, während das Ego aus den Verletzungen der Kindheit entspringt.

Der Weg vom Ego zum Ich geht über Therapie, der Weg vom Ich zum transpersonalen Selbst geht über Transformation.

Damit ein autonomes, selbstbestimmtes Ich zu einer transpersonalen Instanz findet, braucht es ein starkes Ich, das in der Lage ist, von Zeit zu Zeit und auf dem Kriegerweg immer öfter beiseite zu treten und einem Nicht-Ich Platz zu machen – nur bei Bedarf wird das Ich quasi abgestaubt und kurzzeitig hervorgeholt (vergl. auch das integrale Bewusstsein nach Jean Gebser).


Das Enneagramm und die 9 Motive:

In der Literatur kursieren zahlreiche Zuordnungsmodelle, die sich alle „Enneagramm“ nennen, aber vorwiegend Verbiegungen, Verdrehungen und irreführende Lösungen anbieten.

Wir arbeiten mit dem ältesten originalen Sufi-Konzept, das von Jean Houston und Arnold Keyserling zeitgemäß erweitert wurde.

Die 9 Motive entsprechen den 9 natürlichen Zahlen von 1 bis 9 und deren Qualitäten. Das stärkste Motiv trägt die größte Verletzung in sich und kann daher auf dem Weg des Kriegers zu seinem „Schwert“ gemacht werden – alle anderen Motive werden jedoch genau so klar bearbeitet und in eine Transformation geführt.

Am Ende steht der Mensch in seiner „wahren Größe“ (nach Fritz Pearls, Begründer der Gestalttherapie).


Der Eigendünkel von Castaneda und die Lehren des Don Juan

In allen Werken von Castaneda geht es immer wieder um seinen Eigendünkel, immer wieder, endlos und ermüdend. Doch genau das ist der Eigendünkel: er ist der allergrößte Energiefresser überhaupt.

Don Juan versteht unter Eigendünkel das ganze elendige Selbstmitleid, sich selbst zu wichtig zu nehmen, Selbstsucht und pseudopsychologische Nabelschau samt esoterischer Welterklärung, sich größer und sich kleiner machen, kurz: all die zahllosen Kleinlichkeiten, die Menschen daran hindern, wirklich zu leben und den Tod als Ratgeber anzunehmen und ihm zu folgen.

Es genügt eben nicht, den Eigendünkel anzuschauen und dann hinter sich zu lassen, denn „er wird dir nachkriechen“. Der Eigendünkel ist enorm kreativ beim Einschleichen und Einschleimen, er benutzt den ständigen inneren Dialog um uns abzulenken und die Welt in seinem Sinne zu erklären; diese riesige Kreativität macht den Eigendünkel für einen Krieger zum allerschwersten Gegner überhaupt.

Der Eigendünkel arbeitet gerne mit der Todesangst („wenn du das tust, wirst du sterben“ – und meint, er – der Eigendünkel – wird sterben, und dagegen wehrt er sich mit allem was er zur Verfügung hat), er arbeitet mit Besserwisserei und Überheblichkeit, er verführt dich mit Macht und Überlegenheit, ist selbstgerecht ohne Ende, klagt und jammert mitleiderregend ganz nach Bedarf und richtet Leute hinterrücks widerlich aus – bis hin zu Hassrede und Verschwörungstheorien, bevorzugt anonym.

Auf jeden Fall nimmt er – der Eigendünkel und damit auch sein „Besitzer“ – sich unendlich wichtig und beweist dies auch ohne Unterlass – die Liste lässt sich endlos fortsetzen.

Der Kampf gegen den Eigendünkel wird uns das ganze Leben – und somit auch das ganze Kriegertraining beschäftigen.

Die Strategie des Kriegers im Umgang mit dem Eigendünkel ist so einfach wie schwierig.

Krieger legen sich ein strategisches Inventar zu:

  • dazu listen sie alles auf, was sie tun
  • dann entscheiden sie, welche von diesen Dingen sich ändern lassen – unter dem Gesichtspunkt, die Verausgabung von Energie zu beenden
  • und dann ändern sie diese, entschlossen, mit unbeugsamer Absicht und kompromisslos.

Dieses Vorgehen zu erlernen und zu praktizieren ist das Lohnenswerteste im Kriegertraining überhaupt.


Der Aufrechte Mensch:

Von der Geburt an werden wir emotional missbraucht, verbogen und verdreht und zu kleinen Plagegeistern erzogen. Eltern können den Kleinen nicht genügend Halt und Regeln geben, überfordern und überhöhen sie ständig und sind dann, wenn sie gebraucht werden, einfach nicht da.

All das verbiegt – und bald werden daraus kleine Tyrannen, die mit ihrem Narzissmus ihre Umgebung zur Verzweiflung bringen.

Auch diese Liste lässt sich endlos fortsetzen.

Wie oft habe ich mich

  • für Liebe verbogen, verkauft?
  • für ein lukratives Projekt, einen guten Job, ein großes Geschäft verbogen?
  • für Anerkennung, Beachtung und im Mittelpunkt zu stehen kleiner gemacht oder größer?
  • und dabei meine Seele verkauft?

Die Bearbeitung dieser und ähnlicher Fragen führt unweigerlich dazu, dass wir aufhören, Scheinliebe und Scheinwichtigkeit zu suchen, sondern uns aufrichten zu unserer „wahren Größe“ und ein aufrechter Mensch werden.

Es ist die Demut des Kriegers, die wir erlernen und üben und die uns aufrichten und zu aufrechtem Handeln führt:

  • Ein Krieger erlaubt nicht, sein Haupt vor irgendjemandem zu beugen, noch erhebt er sein Haupt über irgendjemanden
  • und ein Krieger erlaubt nicht, dass irgendjemand sein Haupt über ihn erhebt, genauso wie er nicht erlaubt, dass jemand sein Haupt vor ihm beugt.

Ersteres scheint noch einfach zu sein, doch bei Zweiterem zeigt sich wirklicher Kriegergeist – Respekt gebend und Respekt fordernd (gebietend) auf bedingungsloser Augenhöhe.

Möge die Übung gelingen!

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